Samstag, 30. August 2008

Ausflug nach Ramallah

so, nach langer Zeit mal wieder ein Eintrag. Hat so lange gedauert weil jeden Tag so viel passiert ist, das es immer ewig gedauert hätte etwas zu schreiben. Und da es nicht weniger wurde, hab ich dann einfach nie geschrieben. Vielleicht schreib ich später auch mal noch ne kurze Zusammenfassung aller meine Erlebnisse, jetzt aber mal kurz zum heutigen Tag.

Johanneke (aus Holland) und ich haben gestern spontan beschlossen mal einen Ausflug nach Ramallah zu machen. War ja auch erst gestern im Westjordanland unterwegs (sehr interessante tour mit Breaking The Silence, unbedingt die Zeugenaussagen lesen, bericht von mir folgt), was mir nahelegte unbedingt mehr in diesem Gebiet durch die Gegend zu reisen, ist nicht weit von hier und Johanneke wollte da auch schon immer mal hin. Ansonsten hatten wir keine rechte Ahnung was wir dort wollen und was uns erwartet. Also: heute morgen um 10 in den arabischen Bus (ansonsten fährt ja auch nichts an Shabbat) und ab gehts. Da der Plan eigentlich nur "Erkunden, Rumlaufen und leckeres arabisches Zeugs essen" war, brauchten wir also nur irgendein zufälliges Ziel. Lonely Planet auf, ahhha, ab zu Arafat's Grab. Natürlich erstmal völlig verlaufen und eins wurde schon klar: sehr sehr freundliche und hilfsbereite Leute hier. Kurz vor Arafats Grab, dann das erste Highlight des Tages: Die explodierende Pflanze!
Hab hier mal nen Link bei Youtube gefunden, später kann ich mal noch ein Video hochladen, das wir gemacht haben. Die Pflanze wächst wild in rauhen Mengen und hat so lustige Kugeln oder Balons an sich, so das ich neugierig wurde was das so ist. Lang also die Kugel an und ZackFatzFlatsch exlpodiert das Teil und spritzt mich mit so nen komischen Zeugs voll. Ich bin so dermaßen erschrocken, muss gekreischt haben wie ein Mädchen :-/ ! man man man.
Dann also ab zu Arafats Grab, wo wir aber Aufgrund der Nachwirkungen der Pflanze nicht lange bleiben konnten. Wie auf den Bildern zu sehen ist das ein großer weitläufieger Bau mit nem hübschen Pool dahinter. Das Grab ist darin und dahinter stehen zwei Soldaten mit ernsten Gesichtern, ungefähr so wie beim Buckingham Palace, nur sind die Hüte nicht ganz so albern.
Wer mich kennt, weis das ich in solchen Situation auch zur albernheit neige und als dann noch die Erinnerung an diese beklopplte explodierende Pflanze hochkam, musste ich den Raum schnell verlassen, da sich ein unhaltbarer Lachanfall anbahnte ( aka Giggling Loop).



Das war dann also auch schon die Geschichte vom Grab, dann erst mal was futtern gehen. Waren in nem kleinen arabischen Imbis, so eine Art homemade Kentucky Fried Chicken, nicht schlecht, aber eben nicht die geplante Leckerei. Wir waren wieder im Zentrum von Ramallah, dort wo uns auch der Bus rausgelassen hatte. Ein rießen Kuddelmuddel und Trubel dort, aber sehr schön. Auf ner Karte hatten wir gesehen, dass es auch noch ne Altstadt gibt, diese wollten wir dann als nächstes finden. War aber auch nicht so einfach, Altstadt kannte keiner und nach langem Marsch befanden wir uns an dem Fleck, den wir beim vorrigen Verlaufen schon mal gefunden hatten. Dort in der Nähe entdeckten wir dann aber doch einige Häuser, die sehr alt aussahen und bewegten uns in Richtung dieser kleinen Gassen wo auch gleich das zweite und beste Highlight folgte.
In einer kleinen Sraße roch es plötzlich unglaublich gut nach offenem Feuer und Grillen und zwei Kerls kamen aus einem Eingang mit dampfenden Töpfen in der Hand. Wir nähern uns gleich mal Neugierig und waren schon enttäuscht weil es nur ein normaler Eingang war und leider nicht nach Restaurant aussah. Der eine Kerl mit den Töpfen bemerkte uns aber und winkte uns heran, wir sollen ihm doch folgen. Das taten wir dann auch, die Treppe herunter, durch einen Raum mit hunderten von Singvögeln und kamen in eine Küche in der 3 Leute fleißig am Werkeln waren. Die standen vor zwei großen Holzöfen und kochten Unmengen von Reis und Hühnchen und Lamm. Allerdings war das nur eine Küche und kein Restaurant, aber warum dann so viel Essen? Wir hatten keine Ahnung was das war, aber die Leute waren so freundlich, dass Sie uns ihre Öfen und alles zeigten und mir dann erst mal eine Nargila anboten. Das hatte ich hier ja jetzt schon öfter geraucht, bin Apfeltabak und wie man das halt auch bei uns so kennt. Doch hier hatte das Ding keinen Pfeifenkopf, stattdessen wurde eine Orange ausgehölt und durchbohrt, mit Zahnstochern präpariert und anschließend mit eingelegter Minze gefüllt. Anschließend Alufolie drüber und ab auf die Wasserpfeife. Es wurde ein bisschen Platz gemacht, die Küche war sehr eng, es ging richtig zur Sachen und war unglaublich heiß. Also zwei Stühlchen für die beiden Gäste in die Ecke, Pfeife in die Mitte und dann passierte aber erstmal nichts :-) Ich muss dazu sagen, dass die Kommunikation sehr sehr eingeschränkt war, einer konnte etwas Englisch (der war aber nicht die ganze Zeit da, sondern flitzte immer durch die Gegend) und die anderen nur arabisch, kein hebräisch. Es reichte allerdings zu ner kleinen Vorstellungsrunden, wobei ich mir die Namen mal wieder nicht merken konnte, dabei wurde aber zumindest klar wer welchen Job innehat und dass der Kerls am Ofen der "Master" ist. Also saßen wir da und guckten eben mal ein bisschen. War ja auch nett und sehr interessant. Nach einer Viertelstunde wurde klar, wir warteten auf den Master, der war zu beschäftigt und musste erst mit seinen hunderten von Töpfen klarkommen. Als er ne kurz Pause machte kam er dann über die Theke, holte glühende Kohlen welche er dann mit der bloßen Hand auf die Nargila legte und diese ordentlich anrauchte. Dann wurde mir das Rohr überreicht und ich muss sagen: sehr sehr lecker, schmeckt frisch und ist fast wie inhalieren. Dann wussten wir aber nicht ob Johanneke auch rauchen darf, von den anderen wollte nur einer, also musste ich mir das gute Stück fast alleien reinknallen (das dauert gute 20 - 30 minuten :-) ) Zum Glück kam irgendwann noch mal der "Master" über die Theke, legte neue Kohlen auf und reichte sie dann auch Johanneke. Man sah aber schon, dass dies eine Ausnahme war, daher nur vom Herren des Hauses genehmigt werden konnte.
Inzwischen hatte kamen und gingen Leute, holten Essen für mehrere zig oder hundert Leute ab und auch die Dame des Hauses setzte sich mit in unser Eckchen (wirklich ein sehr kleines Eckchen). Da wurde auch gleich mal wiede das Bild der muslimischen Frauenrolle auf den Kopf gestellt. Natürlich war sie sehr bedeckt gekleidet, trug ein Kopftuch, war aber ansonsten wohl eine lustige und nicht auf den Mund gefallene Frau. Sie hing mit uns ab, lehrte uns arabisch Basics anhand des Lonely Planet Glossars und ärgerte die Männer des Hauses. Natürlich habe ich kein Wort verstanden, aber es war eindeutig klar, dass Sie oft lustige Sprüche machte und die Herren des Hauses verarscht. Man sah es schon daran, dass ihr der "Master" dann mit der Kohlenzange nach ist oder sie gezwickt hat. Lustige Frau auf jeden Fall.
Nachdem ich dieses Pfeifchen dann zu ende geraucht hatte wurde ein weiterer Stuhl als Tischchen hereingebracht und uns erst mal aufgetischt. Mhhh das zarteste Lammfleisch dass ich jeh gegessen habe, gegrilltes Hühnchen, Yoghurt und in Hühnerbrühe gekochter Reis. Leider hatten wir erst kurz zuvor gegessen und die Höflichkeit gebot uns alles aufzuessen. Johanneke machte leider zu schnell schlapp und ich "musste" alles alleine aufessen :-)
Ach ja, während der ganzen Zeit hieß es hin und wieder von Muhajed (dem Englischkundigen) Hey Stephan, look, I want to show you.. and he showed me how to cook, the different herbs and spices and so on. So auch nach dem Essen als er plötzlich mit nem ganzen toten Schaaf auf der Schulter herein kam und mir berichtete, dies sei ein "Määääh". Das Wort für Schaaf kannte er nicht :-). Dieses haben wir dann zusammen mit Gewürzen eingerieben, mit einer Mischung aus Innereien, Reis und Mandeln gefühlt. Danach packte der Master Schnur und Faden aus, um das gute Tier wieder zuzunähen, doch da meldete Johanneke als angehende Ärztin ihre Zuständigkeit an. Erst grinsten sie und machten Witze, doch dann durfte sie wirklich zunähen und erledigte das auch zu ihrer vollen Zufriedenheit.
Anschließen gab es noch eine kurze Photosession und viele Handschütteln und Glückwünschen mit den ganzen Jungs, bevor wir dann nach ca. 2 Stunden überglücklich und vollgestopft die auf bestimmt 50 Grad aufgeheizte Küche wieder verließen. Man hat mir das Spaß gemacht, ich glaube ich habe doch ein simples Gemüt, wenn man mich mit so etwas so happy machen kann :-) Aber es lag auch an den leuten die dort gearbeitet haben, die hatten einen solchen Spaß an der Sache, an ihren Kunden, am Kochen, mit ihren Gästen, haben die ganze Zeit gegrinst, ein bisschen getanzt wenn mal wieder ein Hit im Radio kam, usw.. Tolle Leute und ich hab jetzt sogar die Karte des Meisters. Wenn mal jemand unmengen von Hühnchen, Lamm und Reis bracht, einfach bei mir melden.

Nächsten Station war ein Eisladen im Zentrum, wir hatten gehört dort gäbe es eine Mischung aus Eis und arabischem Gummi als Spezialität des Hauses. Das ist mal ein seltsames Zeugs, sehr lecker, aber doch auch wirklich seltsam. Man nimmt nen Löffel, denkt es sei eis, will es lutschen, denkt man hat nen rießigen Gaugummi im Mund, kaut es und es löst sich plötzlich doch auf. Sollte man auf jeden Fall mal probiert haben.

Zum Abschluss sind wir dann noch auf den Schuk, da hier das Obst sogar noch mal billiger als in den arabischen Vierteln in J'lem ist. Und schon wieder soo nette Leute. Ok, zu beginn haben wir das gar nicht realisiert, da es sobald man mit hübschen blonden Mädchen unterwegs ist immer ein großes "Welcome" und "Where are you from" gibt. Aber hier folgte kein: "I love you" and "nice Ass", sondern. "Welcome to Palastine, have great time!!!". Wir waren zu beginn also etwas zurückhaltend, da wir dachten jetzt will uns wieder einer abzocken oder was andrehen, dabei wollten uns einfach alle nur beschenken. Hier was probieren, dort eine Frucht. Kommt plötzlich einer an und drückt mir ne Zigarette in die Hand, da dachte ich: oh oh, jetzt will er mir doch was andrehen. Doch er gibt mir nur Feuer, wünscht mir nen schönen Tag und läuft weiter :-)
Es gab auch keine Touripreise wie sonst, sondern alles billiger oder umsonst !
Das Ende vom Lied war, dass ich mit Obsttüten vollbepackt, wie eine türkische Omma, vom Schuk kam. Um dem Glückskinderdasein noch einen draufzusetzen, war 30 Meter neben dem Fleck an dem wir den Schuk verließen unser Bus Nr. 18, der uns zurück nach Jerusalem brachte..

Leider hier dann noch ein Dämpfer um uns das Dauergrinsen zu versauen.
Erst als wir am Checkpoint ankamen fiel uns zum ersten mal auf, wie angenehm es war mal einen Tag nicht überall Waffen und Soldaten zu sehen. Wir passierten reibungslos (für uns europäer jedenfalls) den Checkpoint und fuhren gerade ganz langsam ca. 2 km vom Check entfernt, als auf der anderen Straßenseite plötzlich ein rießen Rabbatz war. Vier Leute in Zivil, mit Hemd und Krawatte, sprangen aus einem Zivilwagen mit Blaulicht, maskierten sich dabei, zogen einen Araber aus seinem Kleinbus und verprügelten in erstmal ordentlich bevor sie ihn auf den Boden warfen und verhafteten. Krasse Situation, man hat keine Ahnung was abgeht. Maskierte Männer auf der Straße, natürlich laufen gleich ein paar Menschen in die Richtung, ein paar anderen schreien, zwei der maskierten laufen sofort auf die hinzugekommen zu und bedrohen sie, halten einen Jungen die Knarre ins Gesicht und schreien ihn an. Wie mir mein Mitbewohner erzählt hat, kennt er auch keine maskierten Polizeigruppen und er vermutet es sei wohl eine Spezialgruppe oder der Geheimdienst gewesen. Waren wohl schon offizielle, zogen sich auch Käppies mit gleicher Aufschrift über die Masken, aber dennoch war es eine sehr brutale "Festnahme". Leider war ich zu überrascht um Photos zu machen.
Aber zu diesem Thema werde ich sowieso bald noch viel viel viel mehr schreiben, habe gestern mit einem ehemaligen Soldaten eine sehr interessante Tour durch den Süden der Westbanks gemacht und war in einem kleinen Palestinensischen Zeltdorf. Das hat mir die Augen geöffnet, was für ne rießenscheiße hier am laufen ist und was die Armee und vor allem die Siedler hier abziehen. Aber wie gesagt, davon mehr beim nächsen mal, heute war es ein mehr als schöner Tag.

Bilder gibt es wie immer auf meiner Picasse seite, später auch noch mehr, wenn ich die von Johanneke habe, ciaooo und gute Nacht

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